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„Sehnsüchte sind der Motor für alles“

Aktualisiert: 18. Feb. 2023

„Sehnsüchte sind der Motor für alles“


Bewegung und Erfüllung hängen eng zusammen. Warum man dafür keinen Marathon laufen muss, erklärt Heiko Römhild, der als Coach seit zehn Jahren geführte Alpenüberquerungen leitet.


Sind Menschen, die sich viel draußen bewegen, tatsächlich glücklicher?

Absolut. Das sagt schon die Umgangssprache. Im „Wie geht es dir?“ steckt das Gehen schon drin. Wenn man geht, sich also bewegt, fühlt man sich gut. Es gibt kein anderes Lebewesen auf der Welt, das längere Strecken laufen kann als der Mensch. Es ist unsere Bestimmung, und wir sollten ihr folgen.

Was passiert im Körper genau beim Gehen?

Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen: Es senkt dauerhaft den Blutdruck und die Herzfrequenz, stärkt die Lungenkapazität, Koordinationsfähigkeit, Muskulatur und das Immunsystem. Viele unterschätzen es, weil man nicht so stark schwitzt wie bei anderen Aktivitäten, aber man verbrennt dabei auch fast so viele Kalorien wie beim Joggen. Außerdem hilft es nachweislich beim Abbau von Aggressionen und Stress, und das schon nach wenigen Minuten.

Und warum muss es gerade draußen sein?

Um sich selbst zu erfahren, muss der Mensch in seinen natürlichen Lebensraum, raus in die Natur. Er muss sich Kälte, Wind und Sonne aussetzen, ursprünglichen Geräuschen. Wenn ich einen meiner Kollegen frage, was ist dein Zutun zum Gelingen in diesem großen Konzern, dann kann das keiner beantworten. Aber wenn jemand beim Wandern einen Fuß vor der anderen setzt, weiß er: Ich bin selbst auf diesen Berg rauf. Das ist mein Verdienst. Wenn wir uns in der Natur bewegen, spüren wir uns wieder. Das geht uns in unserem Alltag, umgeben von Technik, oft verloren.

Was ist das Besondere an Ihren Wanderungen?

In diesen 10 bis 20 Tagen zwischen Oberstdorf und Meran erfahren die Teilnehmer viel über sich selbst. Viele von Ihnen sind sehr leistungsorientiert. Sie merken irgendwann: Sie laufen nur gegen sich selbst. Beim Wandern macht Ehrgeiz keinen Sinn, im Gegenteil, er bringt einem nur Schmerzen. Wer am Anfang langsam gelaufen ist, kommt am entspanntesten an. (und der Langsamste bestimmt das Tempo.)

Sie versprechen, am Ziel ein anderer Mensch zu sein.

Ja, denn Sie wechseln auf jeden Fall die Perspektive. Es braucht etwas, um den Menschen aus dem Alltag herauszubringen und ihm Raum für seine Gedanken zu geben. Wenn man acht Stunden lang einen Schritt vor den anderen setzt, ermöglicht der tiefe Erkenntnisprozess. Sich so intensiv sich selbst auszusetzen, ist eine große Chance. Irgendwann steht man dann weit oben und hat einen Blick über (eine weite) sehr viel Landschaft. Da wird einem bewusst, dass man nur ein ganz kleiner Teil dieser großen weiten Welt ist. Das lässt so manches scheinbare Problem kleiner erscheinen. Was alle mitnehmen: Dass sie Herausforderungen meistern können. Und dass das Leben wie diese Tour aus einem Hoch und runter besteht, unwiderruflich.

Und dann fahren alle wieder nach Hause und machen weiter...

Nein, einige suchen sich danach einen neuen Job, trennen sich von Menschen oder Gewohnheiten, die ihnen nicht guttun oder machen eine Weltreise. Anderen gelingt im Kleinen eine große Veränderung, zum Beispiel jeden Morgen eine Runde Yoga und den Weg zur Arbeit mit dem Rad, und schon sieht ihr Tag ganz anders aus.

Was kann man noch im Alltag tun, um diesen Effekt zu erreichen?

Es geht darum, etwas zu finden, das einen erfüllt, wieder näher zu sich selbst bringt, und nicht darum, nur effektiv den Herzschlag hochzutreiben. Da kann ein Tanzkurs oder ein Waldspaziergang wirkungsvoller sein als der Besuch im Fitnessstudio. Und, auch darüber spreche ich mit meinen Teilnehmern unterwegs: Unser Geist braucht etwas, wo er hinwill. Es macht einen großen Unterschied für die Zufriedenheit, ob man einen Traum hat oder nicht. Ich sage immer, erlaubt es euch, Sehnsüchte zu haben. Sie sind der Motor für alles.

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